Das Schloss am Holleberg
oder
das RaubSchloss
An der Flurgrenze von Pouch zu Rösa in der Muldeaue befindet sich eine Gemarkung, die im Volksmund "das Raubschloss" genannt wird. Vor ihr auf dem Hochufer der Mulde liegt ein Hügel, der Holleberg. Auf der westlich davor liegenden Feldbreite befand sich ehemals ein großer Teich, "das Jungfernloch". Er wurde zu Beginn unseres Jahrhunderts zugeschüttet und in Ackerland umgewandelt. Die Sage vom Raubschloss ist hier lokalisiert.
Vor langer Zeit stand am Holleberge ein prächtiges Schloss. Der Schlossherr hatte eine liebliche Tochter. Sie war die Freude seines Lebens. Als die Zeit herankam, wo das Mädchen von Männern begehrt wurde, bewarben sich zwei Ritter um sie, ein großer blonder guter Ritter und ein dunkelhaariger, hässlicher, dessen Großmutter eine Hexe gewesen sein soll und dem man nachsagte, er stände selbst mit dem Teufel im Bunde.
Das Mädchen liebte den blonden Ritter. Da aber damals die Mädchen nicht gefragt wurden, wen sie ehelichen wollen, ließ ihr Vater beide Ritter gegeneinander kämpfen. Der Siegerpreis war seine Tochter. Das Mädchen hatte Angst vor dem schwarzen Ritter. Sie ging in die Kapelle des Schlosses und bat den lieben Gott, dem blonden Ritter den Sieg zu schenken. Aber es kam anders. Der schwarze Ritter erwies sich als der stärkere. Er besiegte den blonden Ritter und schlug ihn tot. Das schöne Mädchen hatte sich dies mit ansehen müssen. Als nun der Sieger den Siegespreis forderte, rannte sie in die Schlosskapelle, bewarf den Altar mit Pferdedreck und schrie:: "Hast Du mir nicht geholfen, so soll mich der Teufel vor diesem schwarzen Unhold bewahren!"
Kaum waren die Worte verklungen, da erhob sich ein gewaltiger Sturm. Hagel und Regenmassen verdunkelten den Himmel. Dann ertönte ein großer Donner, als würden zehn Gewitter gleichzeitig ihre Blitze zur Erde schleudern und Schloss, Mädchen und schwarzer Ritter waren verschwunden. Viel Jahre später kam ein Bauer von der großen Schlacht bei Frankenhausen nach Hause. Er musste sich an der Mulde verstecken, denn die Herren erschlugen die Bauern, die sich am Aufstand beteiligt hatten. Dem erschien des Nachts ein wunderschönes Mädchen, das ihm mit trauriger Stimme erzählte, sie sei die Herrin vom Raubschloss, die den Teufel um Beistand angerufen hatte. Sie sei verwunschen, unten am Grunde des Sumpfes in ihrem Schloss zu warten, bis sie jemand erlöst. Das wäre aber nur aller 100 Jahre möglich. Dann steigt das Schloss auf. Und wer dann hineingeht, sie an die Hand nimmt und sie ohne sich dabei umzudrehen oder ein Wort zu sprechen aus dem Schloss führt, dem gehört sie und mit ihr das Schloss mit all seinen Reichtümern, und er kann glücklich leben bis an sein Lebensende.
Vorsehen muss er sich aber vor dem schwarzen Ritter. Der ist in einen großen, struppigen, schwarzen Hund verwandelt worden mit tassenkopfgroßen Augen. Der beißt jeden, der das Schloss betritt. Der Bauer hat das weitererzählt, aber niemand wollt ihm so recht glauben.
Während des Dreißigjährigen Krieges lagerte ein Landsknecht an der Mulde. Er musste sich verstecken, denn er war aus seinem Haufen desertiert. Nicht schlecht staunte er, als um Mitternacht ein prächtiges Schloss aus dem Sumpf empor stieg. Er erinnerte sich, dass an den Lagerfeuern der Landsknechte von diesem Schloss mit dem schönen Mädchen drin erzählt worden war und da er ein tapferer Mann war, ging er mit festem Schritt in den großen Saal des Schlosses, nahm das traurig auf der Bank sitzende Mädchen an die Hand und wandte sich zum Ausgang. Plötzlich biss ihm ein Hund in den Schenkel. "Du verdammtes Vieh!" schrie er und griff nach seinem Katzbalger. Da ertönte ein großer Donner, als würden 10 Gewitter gleichzeitig ihre Blitze zur Erde schleudern und er fand sich auf taunasser Wiese liegend wieder.
Hundert Jahre später sah ein Schäfer das Schloss aufsteigen. Er erinnerte sich sofort an Erzählungen über dieses verwunschene Schloss. Nicht nur einmal hatte er sie im Rösaer Dorfkrug gehört. Sofort ging er in das Schloss, denn er war sich seiner Sache sicher. Er verstand etwas von Hunden, vor denen hatte er keine Angst. So nahm er das traurig auf der Bank sitzende Mädchen an die Hand und strebte dem Ausgang zu. Als ihn der Hund biss, verzog er nicht mal das Gesicht. Er war schon von anderen Hunden gebissen worden. Doch da hörte er hinter sich die Stimme seiner Frau. "Hab ichs nicht immer gesagt. Du gehst zu anderen Frauen. Jetzt hab ich Dich erwischt!" Da drehte sich der Schäfer um und sagte: "Aber Lieschen, das ist doch das schöne Mädchen aus dem Raubschloss...!" Aber das wollte er eigentlich sagen, denn da ertönte ein großer Donner, als würden zehn Gewitter gleichzeitig ihre Blitze zur Erde schleudern, und er fand sich auf taunasser Wiese liegend wieder.
Der letzte der das Schloss mit dem traurigen Mädchen gesehen hat, war ein Student aus Jena. Er war auf der Flucht vor seinen Gläubigern und wollte nach Wittenberg. Auch er erinnerte sich sofort an Geschichten über dieses Schloss, die an den Biertischen der Studenten erzählt worden sind. Ohne Furcht ging er hinein, nahm das Mädchen an die Hand und strebte zum Ausgang. Als ihn der Hund biss, verzog er keine Miene, Auch als er die Stimme seiner Geliebten vernahm, die sich bitter über seine Untreue beschwerte, ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Doch dann hörte er seine langjährige Wirtin sagen: "Nun wirst Du wohl endlich Deine Schulden begleichen können!" Ja" sagte er da, doch weiteres konnte er nicht sagen, denn ein großer Donner ertönte, als würden zehn Gewitter gleichzeitig ihre Blitze zur Erde schleudern, und er fand sich auf taunasser Wiese liegend wieder. Im Dorfkrug zu Pouch hat er dies erzählt. Vierzehn Tage lang bekam er dafür Freibier. Im Jahre 1981 beging die Gemeinde Pouch feierlich ihre tausendjährige Ersterwähnung. Im Anschluss an die Feier waren Teilnehmer der Meinung, dass nun 100 Jahre vergangen seien und das Raubschloss wieder auftauchen müsse. Um Mitternacht begaben sie sich zum Holleberg und warteten vergebens. Das schöne Mädchen im Raubschloss wartet weiter auf ihren Erlöser.
Der Holleberg hat seinen Namen vom Hollerbusch, dem Holunder. "Sie sitzen unterm Hollerbusch und machen alle husch, husch, husch" sagt der Kinderreim.
Zwischen Pouch und Rösa befindet sich eine Gemarkung, die den Namen "die Pauke" trägt. Der Flurname bezieht sich auf den wüst gewordenen Ort Neubucko, auch Hohenbucko genannt. Der Name hat die Bedeutung Buchenort. Er wurde Ende des 15. Jahrhunderts wüst. Dieser Ort hatte eine Fluchtburg, bestehend aus einem Ringwall, der durch Palisaden verstärkt war. Der Wall wurde im 19. Jahrhundert abgetragen, sein Erdreich auf die umliegenden Felder verteilt. Die örtliche Tradition verlegt das alte Pouch an diesen Ort. Dieser Ringwall ist als die untergegangene Burg der Sage anzusehen.
Die Angabe, dass der böse Ritter in einen Hund verwandelt wurde, der das Mädchen bewacht, ist der germanischen Glaubenswelt entlehnt. Ausgräber germanischer Häuser finden unter der Schwelle des Haupteinganges das Skelett eines Hundes, der als Wächter und Beschützer vor dem Bösen geopfert und dort begraben wurde. Das frühe Christentum hat aus dem Wächter vor dem Bösen den Bewacher des Bösen gemacht.
Die Prüfungen, die von dem bestanden werden müssen, der das Mädchen befreien will, sind Relikte aus vorchristlicher Zeit. Bei Jugendweihen oder Aufnahme in den Kriegerstand sind in alter Zeit solche oder ähnliche Prüfungen üblich gewesen.
Die Grundaussage dieser Sage stimmt mit der christlichen Glaubenswelt überein. Wer es mit dem Teufel hält, der wird bestraft. Unter besonderen Umständen wird Gnade in Aussicht gestellt.
Auch diese Sage wird auf verschiedene Weise erzählt. Sie ist auch unterschiedlich lokalisiert.