Der Graue Stein
Wütend stand der Ritter Hans von Pouch vor dem Tore seiner Burg. Fluchend trat er gegen eine großen Stein. Schon lange lag der ihm im Wege. Nun Hatte ein Gewitterguss ihn unterspült. Er drohte, sich zu bewegen und den Eingang zur Burg zu blockieren. "Wie wärs, Hänschen? Soll ich ihn Dir wegnehmen? sagte da jemand hinter ihm.
Der Ritter konnte sich über alles und jeden erregen, aber die größte Beleidigung für ihn war die Verniedlichung seines schönen Namens Johannes. Drei der Frevler hatte er schon erschlagen, die das gewagt hatten. Mord und Brand glänzten deshalb in seinen Augen, als er sich rumdrehte.
Der dort grinsend stand, war der Teufel. Der Ritter erkannte ihn sofort an dem breitkrempigen Hut mit der Hahnenfeder dran und den stechend leuchtenden Augen. "Nun, Hänschen, wollen wir wetten, dass ich ihn weiter werfe als Du? Ich treffe mit ihm sogar den Turm der Kirche Schköna!" tönte es aus dessen Munde.
Mord und Brand wichen aus den Augen des Ritters. Voller beißendem Hohn erwiderte er: "Du und diesen Stein schmeißen? Eher wird das Muldewasser zu Bier, als dass Du den bis Schköna wirfst und den Kirchturm triffst!"
"Hä hä hähähä!" war die Antwort des Teufels, "treffe ich nicht, bekommst Du einen Eimer, in dem Muldewasser zu Bier wird! Treffe ich, dann, Hänschen, ist Deine Seele mein!"
"Es gilt!" sagte der Ritter, der sich schon hatte etwas einfallen lassen, wie er den überheblichen Höllenfürsten übertölpeln kann. "Das ist die Linie, von der geworfen wird!" Mit seinem Schwert zog er eine meterlange Furche quer über den Weg. "Es gilt!" rief auch der Teufel, wandte sich um und griff nach dem Stein.
Doch der Ritter wusste, dass der Teufel nichts mehr fürchtet, als Kreuz und Weihwasser.
Flugs zog er deshalb noch eine Furche quer über die bereits vorhanden, so dass sich auf dem Wege ein Kreuz abzeichnete. Der Teufel hatte das nicht bemerkt. Mächtig hob er den Stein. Kraftvoll beugte er sich zurück und nahm Anlauf bis zum Strich. Um nicht überzutreten, blickte er nach unten und sah das Kreuz. Mit einem langen fürchterlichen Schrei, als würden 10 Gewitter gleichzeitig ihren Donner rollen lassen, warf der Teufel den Stein. Er traf aber nicht sein Ziel. Kurz vor Schköna stürzte der Stein in den Heidesand. Mit spitzen Krallen wollte der Teufel dem Ritter an die Kehle. Doch der stand lächelnd breitbeinig jenseits des Kreuzzeichen, über das der Teufel nicht zu steigen wagte, stemmte beide Arme in die Hüften und höhnte: "Wo ist nun der Eimer?" Der Ritter hat ihn nicht bekommen. Der Teufel hat sich aber auch nie wieder in Pouch blicken lassen.
Der graue Stein liegt heute noch im Sande vor Schköna. Wer genau hinsieht, der findet noch Eindrücke der Teufelskrallen auf ihm. Und manchmal zur Zeit der Sommersonnenwende wollen Heidebauern bläulich leuchtende Flämmchen auf ihm gesehen haben.
Diese Sage wird auf verschiedene Weise erzählt. Den Poucher Versionen aber ist immer eigen, dass der Teufel oder ein Riese den Stein von Pouch aus nach Schköna geschleudert haben soll.
Der graue Stein ist ein Näpfchenstein. Die Näpfchen- oder Schälchensteine sind eratische Blöcke, in die von Menschenhand kleine näpfchenförmige Vertiefungen eingerieben wordensind. Als Entstehungszeit für diese Steine wird der Zeitraum vom Neolithikum bis zur römischen Kaiserzeit angenommen. Diese Steine hatten unmittelbaren kultischen Bezug. Öl wurde in die Näpfchen gefüllt und angezündet. Da dies bereits in vorchristlicher Zeit geschah, wurde nach dem Sieg des Christentums dieser Kultvorgang verteufelt. Sagen über Teufelssteine berichten deshalb von bläulichen Flammen, die teuflische Macht anzeigen. Aber noch im Mittelalter standen solche Steine im Zusammenhang mit Totengebräuchen. Die zu Allerseelen und am Sterbetag angezündeten Totenlichter hielten das Andenken an die Toten wach.
Die Häufung von Totensagen für Pouch lässt auf das Vorhandensein einer heidnischen Opferstätte schließen. Archäologisch sind sorbisch-mittelslawische Keramikreste im Burgbereich nachgewiesen, aber keine Opferstätte. Die Volksüberlieferung setzt solche Stätten in das Goitzschegebiet um Niemegk.