Da das Förderprojekt „Bioenergiedorf Muldenstein“ aufgrund seiner Komplexität und der voneinander abhängigen Einzelbereiche ein Marathon in der Umsetzung wird, gebe ich nachfolgend einen Überblick zum aktuellen Sachstand.
Vorab ein Hinweis zu den Kinderbetreuungsplätzen in der Gemeinde Muldestausee. Aktuell befindet sich die Erweiterung der Kita Schwemsal in den letzten Zügen zur Fertigstellung. Darüber hinaus arbeiten wir unter Hochdruck an der Baumaßnahme Erweiterung Kita Friedersdorf, da uns hierfür noch bis 2023 Fördermittel aus dem Bundesinvestitionsprogramm zur Verfügung stehen, die Maßnahme hingegen auch in diesem Zeitraum abgeschlossen sein muss. Nachdem bis 18.11.2021 alle Auflagen des Bauordnungsamtes des Landkreises für die Erteilung einer Baugenehmigung durch die Gemeinde erfüllt wurden, erhielten wir erst am 07. Juni 2022 eine Baugenehmigung. Ohne Baugenehmigung kann keine Maßnahme begonnen werden.
Auf dieser Grundlage erfolgten unverzüglich die ersten Ausschreibungen und die Umsetzung eines 2. Rettungsweges mit 2 Bypasstüren im Bestandsgebäude. Bis Ende August lief die Ausschreibung des Bauhauptgewerkes mit den zu erledigenden Rohbauarbeiten. Über die Auftragsvergabe entscheidet der Gemeinderat am 19.10.2022. Aktuell laufen alle weiteren erforderlichen Ausschreibungen (Dach, Fenster, Estrich, Fliesen, Haustechnik, Lüftung, Sanitär, Malerarbeiten etc.) mit dem Ziel bis zur Ratssitzung Anfang Dezember alle entsprechenden Aufträge zu vergeben. Wir hoffen darauf, dass sich genügend Firmen an den Ausschreibungen beteiligen und die geschätzten Kosten im Rahmen bleiben.
Das Projekt „Bioenergiedorf Neumuldenstein“ besteht aus fünf Säulen, die sich gegenseitig bedingen. Für die geschätzten 17 Millionen Euro Aufwand stellt der Bund 90 % der Kosten verbindlich zur Verfügung. Von ursprünglich 10 % (somit 100% Förderung) hat sich das Land Sachsen-Anhalt dieses Jahr verabschiedet, sodass nur noch 5 % Förderung beigesteuert werden. Das Defizit zu 100 % Kostendeckung muss die Gemeinde durch Grundstücksverkäufe decken. Daher:
1. Erschließung Wohnstandort Feldberg
Die innere Erschließung des Feldberges soll nicht länger die Gemeinde durchführen, sondern das Grundstück an einen Dritten verkauft werden, der einerseits die Erschließung übernehmen sowie andererseits an ein lokales Nahwärmenetz angebunden werden soll.
Die nicht länger benötigten Fördermittel für die eigene Erschließung durch die Gemeinde, können wir im Projekt behalten und als Mehrkosten bei den anderen Säulen umsetzen. Der Grundstückserlös soll den Aufwand für den verbleibenden Eigenanteil decken.
Ohne ein aktuelles Verkehrswertgutachten kann der Verkauf nicht erfolgen, auf deren Aktualisierung wir seit einigen Monaten warten. Darüber hinaus werden für den Verkauf die Konditionen für die Einbindung in ein Nahwärmenetz wesentlich sein, dessen konkrete Umsetzung noch nicht final geklärt ist (siehe unten).
2. Neubau Kindertagesstätte „Sonnengrund“
Für den Neubau der Kindertagesstätte war zunächst wesentlich, Baurecht zu schaffen. Der Bebauungsplan war aufwändig anzupassen und Veränderungen vorzunehmen. Der ursprünglich gedachte Standort direkt an der Steinlausigker Straße musste in Richtung Westen geschoben werden, was aus einem Schallschutzgutachten abzuleiten war. Am vorderen Standort ist nun ein „eingeschränktes Gewerbegebiet“ festgesetzt. Vorrangig soll dieser Standort i.V.m. dem Bahnhof für medizinische Einrichtungen beplant werden und die Grundstücke veräußert werden. Auch diese Bereiche sollen an das lokale Nahwärmenetz angeschlossen werden und es liegt noch kein Wertgutachten vor, weshalb die Grundstücksverkäufe zur Finanzierung des Eigenanteils noch nicht vollzogen werden können.
Beide Bereiche, d.h. Standort Kindertagesstätte sowie Gewerbegebiet, sind noch Kampfmittelverdachtsflächen und müssen auf Kampfmittelfreiheit untersucht werden. Dies erfolgt durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Sachsen-Anhalt, der erst tätig wird, wenn die Gemeinde die gesamte Fläche vorher beräumt und die Grasnarbe abgetragen hat. Unser Bauhof hatte bereits Anfang des Jahres Strauchwerk entfernt. In Anbetracht der Vegetations- sowie Brut- und Setzzeit konnte das Abtragen der Oberflächenstrukturen noch nicht erfolgen, soll jedoch bald erfolgen.
Unterdessen wird die Ausschreibung einer Planung des Kitagebäudes inklusive Hort vorbereitet. Dabei soll in Anbetracht von Kostensicherheit, Terminsicherheit und Schnelligkeit des Vorhabens neben der konventionellen Bauweise auch eine Modulbauweise vergleichend betrachtet werden. In jedem Fall soll die Kita an das lokale Nahwärmenetz angebunden werden. Idealerweise durch einen Generalunternehmer, der der Gemeinde das Objekt, inklusive Anlage der Außenflächen schlüsselfertig übergibt.
3. ÖPNV-Schnittstelle Bahnhof Muldenstein nebst Vorplatz
Ergebnis mehrerer Beratungen mit der Deutschen Bahn und der Nahverkehrsgesellschaft Sachsen Anhalt (NASA) ist, dass für die ÖPNV-Schnittstelle und die Verkehrsflächen ein leistungsfähiges Planungsbüro aus dem Bereich Erschließung und Verkehrsanlagenplanung genügt und nicht vorab noch ein Projektsteuerer beauftragt werden muss. Die Zielstellung für dieses Planungsbüro, welches zudem die Erschließungsplanung und Verkehrsflächen vor dem Bahnhof sowie zwischen den einzelnen Bereichen, erarbeiten muss, ist in Vorbereitung.
Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass die Gemeinde noch nicht im Eigentum des Bahnhofsgebäudes ist. Da jegliche Einigungsversuche mit dem Eigentümer ohne festen Wohnsitz in Deutschland scheiterten, bleibt nur der Weg der Zwangsversteigerung. Diese wurde durch die Gemeinde beantragt, um in das Eigentum des Gebäudes zu kommen. Wir hoffen auf einen baldigen Termin, da ohne Eigentum die Fortführung dieses Teilprojektes wesentlich erschwert bleibt. Auch der Bahnhof soll an ein lokales Nahwärmenetz angebunden werden und als Standort für Vereine, Gaststätte sowie Einrichtungen aus dem Gesundheitssektor dienen. Die Zielstellung ist jedoch abhängig von der Gebäudesubstanz und vorbehaltlich einer entsprechenden Überprüfung.
4. Bioenergiedorf, Umsetzung Nahwärmenetz
Die aufwändigste und für fast alle Bereiche wesentliche Untersuchung war die Entwicklung eines lokalen Nahwärmenetzes, das wirtschaftlich betrieben werden und die vor Ort vorhandenen Potenziale – unabhängig von fossilen Energieträgern – ausnutzen soll. Die Erarbeitung für bisher insgesamt 6 Orte der Gemeinde von Oktober 2021 bis September 2022 lieferte das Ergebnis, dass insgesamt 5 Nahwärmenetze in diesen Betrachtungsgebieten unserer Gemeinde technisch möglich sind und wirtschaftlich betrieben werden können. Die Umsetzung in Muldenstein war in Verbindung mit der Ansiedlung eines kommunalen Rechenzentrums durch den Landkreis Anhalt-Bitterfeld vorgesehen. Eine Antwort des Landrates, auf welcher Zeitlinie das Rechenzentrum realisiert werden wird, liegt bislang nicht vor. Alternativ könnte das Netz unter Nutzung von Seethermie (aus dem Grünen See), Geothermie und Solarthermie sowie Spitzenlastkesseln ausgebildet werden. Nach Vorstellung der Ergebnisse im Gemeinderat am 07. September beginnen nun die Überlegungen zur konkreten Umsetzung. Hierzu sind zunächst alle örtlichen Akteure (Biogasanlagenbetreiber, Wohnungseigentümer, Seeeigentümer, Land- und Forstbetriebe, Schornsteinfeger, privatwirtschaftliche Unternehmen etc.) nochmals zur möglichen Einbindung zu befragen. Diverse Fragen zu Aufbau und Betrieb sowie den gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen (Konzessionsvergabe, eigene Netzgesellschaft, Betreibergesellschaft, Energiegenossenschaft etc.) sind nun zu klären, was im vierten Quartal 2022 erfolgen soll.
5. Radanbindung Muldenstein – Greppin Neubau Muldebrücke
Für die Radwegeverbindung von Muldenstein nach Greppin hat die Gemeinde Muldestausee das Eigentum an dem sogenannten Muldewehr übernommen und die Brückenplanung in Auftrag gegeben. Die im Juni durchgeführten Grundlagenuntersuchungen wurden bis Ende September ausgewertet. Am 11.08.2022 wurde für die Gemeinde Muldestausee in dem Grundbuch von Greppin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Brückenrecht, Bau, Betrieb und Unterhaltung einer Brücke über die Mulde) eingetragen. Aktuell plant das Planungsbüro 3 Varianten für die Umsetzung, die wir zeitnah erhalten sollen, in Abstimmung mit der Stadt Bitterfeld-Wolfen diskutieren und uns auf eine Umsetzungsvariante festlegen wollen, um den Genehmigungsprozess zu starten. Wir hoffen, hierzu bald über mehr Ergebnisse informieren zu können.
Den gesamten Bereich der oben beschriebenen Planungen haben wir mit Beschluss des Gemeinderates sowie rechtsverbindlich ab dem 27.07.2022 zum Sanierungsgebiet „Bioenergiedorf Neu-Muldenstein / Bereich Bahnhof“ erklärt.
Darüber hinaus haben wir in einer Ämterkonferenz im August mit dem Abwasserzweckverband, dem Trinkwasserversorger sowie dem Stromnetzbetreiber die Erschließungskapazitäten besprochen. Ergebnisse dieser gemeinsamen Beratung war, dass die geplanten Vorhaben durch lokale Erweiterungen der vorhandenen Infrastruktur umsetzbar sind und insbesondere die Kläranlage die zusätzlichen Anschlüsse leisten kann.
In der Gesamtbetrachtung liegen uns nun fast alle relevanten Ausgangsdaten vor, um die konkreten Förderanträge weiter zu qualifizieren und die Umsetzung anzuschieben. Aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten besteht jedoch für uns ein überdurchschnittlich hoher Koordinierungs- und Organisationsaufwand. In der Gemeinde verfügen wir zudem nur über einen Mitarbeiter für alle Tiefbaumaßnahmen sowie eine Mitarbeiterin für alle Hochbaumaßnahmen, welche sich gegenseitig vertreten. Daher sind der Bauamtsleiter und ich als Bürgermeister stark in der Sachbearbeitung, den konzeptionellen Themenstellungen sowie der „Fördermittelakrobatik“ mit eingebunden.
Ist der Bahnhof endlich im kommunalen Eigentum und liegen die Verkehrswertgutachten der einzelnen Grundstücke vor (avisiert Oktober/November) und ist der Bereich Kita / Gewerbegebiet von möglichen Kampfmitteln befreit bzw. auf das Nichtvorhandensein überprüft, hoffen wir auf eine deutliche Beschleunigung der Einzelprojekte sowie des Gesamtvorhabens.
Vielen Dank für Ihr Verständnis und die konstruktive Mitwirkung aller Beteiligten, es bleibt noch sehr viel zu tun...
Ferid Giebler
Bürgermeister